INTERNATIONAL UNIVERSITY BREMEN

Grenzen überwinden: Die IUB

   

Rede von Dr. Fritz Schaumann, Präsident der International University Bremen
am 22.10.2003 zur Eröffnung des Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development

Es gilt das gesprochene Wort.

[ Oct 22, 2003]  Liebe Familie Jacobs,
liebe Gäste aus Zürich,
Herr Bundesminister,
Herren Senatoren,
Herr Staatsrat,
Damen und Herren Abgeordnete,
verehrte Gäste,


eine weitere bedeutsame Etappe in der Entwicklung der IUB ist erreicht: das Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development hat seine Arbeit am 1. Oktober begonnen.
Ich räume gern ein, dass wir es schon etwas früher schaffen wollten, aber entscheidend war für uns, mit hoher Qualität zu starten. Dafür steht unsere neue Vizepräsidentin Ursula Staudinger. Sie ließ sich erfreulicherweise von der Attraktivität dieser Aufgabe und den darin enthaltenen Gestaltungsmöglichkeiten überzeugen, von Dresden nach Bremen zu kommen.

Meine Damen und Herren, Sie und ich wissen, man kann Probleme ausgiebig erörtern, notwendige Maßnahmen intensiv diskutieren und wunderbare Lösungsvorschläge entwickeln. Man gestaltet die Realität aber nur dann, schafft wirklich Veränderungen, wenn auch die erforderlichen Mittel verfügbar sind. Unsere frühe Idee, die IUB müsse angesichts der uns allen bewussten gesellschaftlichen Herausforderungen aktiv die Voraussetzungen und Chancen lebenslangen Lernens untersuchen und dazu ganz praktische Beiträge liefern, hätte sich ohne die tatkräftige (und erhebliche) Unterstützung der Jacobs Stiftung nicht, jedenfalls absehbar nicht umsetzen lassen. Klaus Jacobs, Christian Jacobs, Paul Baltes, Ernst Buschor und Heinrich Ursprung haben dies als Mitglieder des Stiftungsrats entscheidend gefördert. Schön, meine Herren, dass Sie heute alle kommen konnten und ich Ihnen noch einmal ganz herzlich Dank sagen darf.

Das Jacobs Center reiht sich konzeptionell fugenlos in Ziele und Struktur der IUB ein. Unser Leitbild, „Grenzen überwinden“, bildet auch hier den blauen Faden von Absicht und künftiger Wirklichkeit.

Grenzen überwinden stellt allerdings für uns nicht Selbstzweck dar. Wir wollen vielmehr mit unserem Denken und Handeln dazu beitragen, die internationale und interkulturelle Verständigung zu vertiefen: Unsere kleine Welt mit heute ungefähr 850 Menschen auf dem Campus – Studierende, Lehrende, Volunteers, Staff – und vielen Freunden außerhalb, darunter mehr als 300 Gastfamilien, liefert eindrucksvolle Beispiele dafür, wie dies gelingen kann (natürlich auch, welche Schwierigkeiten dabei auftreten). Tenzin Sither, eine unserer tibetanischen Studentinnen, die im nächsten Jahr graduieren wird, formulierte dies vor kurzem mit den Worten „At IUB, diversity training extends well beyond orientation. Nothing broadens your mind and perspective more than exposure to diverse beliefs, lifestyles, and personalities. Ignorance and arrogance are inherent traits of mankind and the best way to overcome these feelings is to go beyond your zone of comfort and learn different ways of living and thinking. This is an important life skill I have learnt from my experiences at IUB.”

Wir schlagen in Lehre, Forschung und Studium tragfähige Brücken zwischen wissenschaftlichen Welten, helfen, die – in Deutschland zumal – immer noch bestehenden Barrieren zwischen Naturwissenschaft/Technik und Geistes-/Sozialwissenschaften zu vermindern. Wenn Dietrich Schwanitz einen Bestsellererfolg mit dem Titel „Bildung. Alles, was man wissen muss“ landen konnte, ohne auf naturwissenschaftlich-technische Sachverhalte einzugehen, markiert dies das Gemeinte überdeutlich. Erfreulich, dass Ernst Peter Fischer mit „Die andere Bildung“ eben diese Lücke füllte und zunehmend beachtet wird. Dies ändert allerdings nichts an der Unvermitteltheit beider Bereiche.

Unsere Studienstruktur ist so aufgebaut, dass Studierende einerseits einen breiten Horizont erwerben, Querbezüge zwischen unterschiedlichen disziplinären Orientierungen lernen, andererseits zu einer soliden fachlichen Vertiefung gelangen. Wir wollen unsere Studierenden befähigen, die – vermeintliche oder reale – Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis bereits in ihrer Ausbildung wenigstens ansatzweise zu schließen. Außerdem wollen wir ihnen selbstverständlich dabei helfen, nach Studienabschluss die ersten Schritte in die Arbeitswelt (oder auch in eine Graduate School) erfolgreich zu bewältigen. Die Praktikumserfahrungen unseres ersten Jahrgangs sind in dieser Hinsicht vielversprechend.

Unsere geplanten Forschungszentren – eines davon, „Continental Margins“, ist bereits eingerichtet – sind derart strukturiert, dass im Verbund wissenschaftlicher Einrichtungen und Unternehmen relevante Probleme „transdisziplinär“ angegangen werden können und damit möglichst auch praktischer Nutzen erzeugt wird. Unsere Absicht, auch einer breiteren Öffentlichkeit wissenschaftliche Erkenntnisse profund zu vermitteln, hat mittlerweile in der Veranstaltungsreihe „Sichtweisen“ (IUB goes to the city) eine erfolgreiche Form gefunden. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen behandeln dabei Probleme jeweils aus ihrem Blickwinkel – zuletzt mit großer Resonanz zum Beispiel das Thema „Wahrnehmung bei Mensch und Tier“.

Wir setzen uns entschieden dafür ein, dass die Förderung besonders leistungsfähiger und -bereiter Menschen nicht mit dem Verweis auf die zweifellos notwendige Förderung aller unterbleibt oder nur unzureichend praktiziert wird. Wir haben durchaus den Anspruch, künftige Eliten mitzuformen, sei es in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht. Grenzen überwinden heißt für uns in dieser Perspektive, aktiv Denk- und Handlungsver-bote anzugehen.

Wir sind bestrebt, die jahrzehntelange Selbstgenügsamkeit bundesrepublikanischer Hochschulen in der Orientierung nach „draußen“, auf die Welt außerhalb Deutschlands, mit zu durchbrechen. Bildung aus/in Deutschland möglicher wichtiger Exportfaktor war schleichend aus dem Blick geraten, merkliche Attraktivitätsverluste stellten sich als gravierende Folge ein. Hier bessert sich inzwischen vieles bei vielen – bei manchen allerdings noch überhaupt nichts.

Schließlich wollen wir daran mitarbeiten, Grenzen in den vorhandenen Strukturen unseres Bildungssystems zu überwinden. In unseren Köpfen ist die menschliche Biographie vielfach noch klar gegliedert in Abschnitte des Lernens (Kindheit/Jugend), des Arbeitens als Erwachsener und des Ausruhens als alternder Mensch. Unsere Bildungsstrukturen entsprechen noch weithin diesem überholten Bild. Unsere gesellschaftliche Wirklichkeit außerhalb des Bildungssystems ist aber bereits über dessen präsente Verfasstheit und unsere Köpfe hinausgewachsen. Dies meint, Zeiten der Bildung, des Arbeitens und des Ausruhens gehören in neuer Qualität und sehr viel flexibler als heute miteinander verknüpft – sowohl individuell als auch institutionell gesehen.

Genau hier, meine Damen und Herren, werden die folgenden Rednerinnen und Redner „einsteigen“. Ich freue mich und danke sehr, dass wir außer Herrn Bundesminister Clement auch Sie, Herr Sommer, und Sie, Herr von Witzleben, als Teilnehmer der Gesprächsrunde mit Ihnen, Herr Wirtgen, gewinnen konnten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !



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Author: Kristin Beck. Last updated on 23.06.2005. © 2005 International University Bremen, Campus Ring 1, 28759 Bremen. All rights reserved. No unauthorized reproduction. http://www.iu-bremen.de. For all general inquiries, please call IUB at +49 421 200-4100 or mail to iub@iu-bremen.de.