INTERNATIONAL UNIVERSITY BREMEN

Von “geheimen Verführern”

   

Rede von Herrn Dr. Uhsadel anlässlich der Verleihung der Stiftungsprofessur in der Commerzbank-Filiale in Bremen

[ Feb 26, 2002]  Liebe Gäste und Freunde,
lieber Herr Wilhelm,

ich habe mit großer Aufmerksamkeit und Zustimmung Ihren Ausführungen zugehört. Was von Anfang an im Konzept der IUB zur Professur „Information Management“ überzeugte, war der über die betriebs- und volkswirtschaftlichen Aspekte hinausgehende Ansatz; Ihre Worte über Ihre Planungen der kommenden Jahre haben dies eindrucksvoll bestätigt. Es ist, vor allem in Kontrast zu den zahlreichen bestehenden universitären Neugründungen, wichtig und richtig, daß hier in Bremen ein klar akzentuierter humanistischer Blickwinkel gesucht wird.

Das strenge Protokoll der Filiale Bremen schreibt an dieser Stelle vor: „Commerzbank-Stiftung über ihr Engagement“. Das bringt mich immer etwas in Verlegenheit, denn die Stiftungstätigkeit sollte nicht durch Darlegung von Perspektiven und Direktiven der Wohltätigkeit begleitet werden; die von ihr geförderten Themen müssen sich aus sich selbst heraus rechtfertigen. An der IUB geschieht das in beispielhafter Form.

Lassen Sie mich zu der Arbeit unserer Stiftung mit einer leisen Akzentverschiebung dennoch folgendes sagen:

Sie wollten doch sicher immer schon einmal wissen, wie geheime Verführer aussehen. Hier haben Sie gleich mehrere vor Augen.

Mit der Commerzbank-Stiftung ist es folgendermaßen bestellt: Sie unterhält keine Beratergremien, keine Sachverständigenkommissionen, keine stark besetzten, zur Überalterung neigenden Entscheidungsinstanzen. Fünf erfahrene Praktiker aus Wissenschaft und Wirtschaft handhaben mit Realismus und Geschick die gesamte Palette der Gemeinnützigkeit, mit der unsere Stiftung arbeitet. Dabei sind unsere Kollegen vor Ort wichtige Themen- und Stichwortgeber. Und damit sind wir bei den geheimen Verführern: Aus der Filiale Bremen dringt so mancher Schalmeienklang nach Frankfurt nach dem Motto: „ ... wir hätten da etwas Hochinteressantes ...“.
In der Regel gibt es gegen solche Lockungen nur drei Möglichkeiten: Hinfahren, Anschauen, Mitmachen.

Diesmal habe ich auf dem Weg nach Bremen resumiert, was wir hier im Augenblick so tun; es zeigt recht anschaulich die verschiedenen Aspekte unserer Förderaktivitäten.

Da ist zunächst die Instandsetzung des charmanten Aufseherhauses im Bürgerpark, einer geradezu patriotischen Einrichtung, an der mitzuwirken Ehre und Auszeichnung besonderer Art bedeutet. Übrigens, trotz Broschüre und Internet, habe ich nicht herausfinden können, wie alt genau der Bürgerpark ist.

Da ist ferner die großartige Ausstellung der Bremer Kunsthalle, „van Gogh in St. Remy“ im Oktober dieses Jahres, deren Katalog wir fördern. Sie steht in direkter Gefolgschaft der Ausstellung zum „Blauen Reiter“, die unlängst hier Epoche gemacht hat.

Und schließlich ist hier die International University Bremen mit unserem Stiftungslehrstuhl „Information Management“. Und damit komme ich zu einem weiteren und wohl dem gefährlichsten geheimen Verführer, den diese Stadt zur Zeit besitzt. Lieber Herr Schaumann, an diesem Ort über Ihre psychagogische Kunst zu reden, ist allerdings überflüssig.

Alles in allem gehen also in diesem Jahr € 360.000,-- aus der Commerzbank-Stiftung nach Bremen.

Heute also die IUB.

Mit den besten Grüßen aus Frankfurt am Main komme ich mit einem Zitat des - nächst Friedrich Stoltze - größten Heimatdichters unserer Stadt; es stammt aus seiner Weimarer Zeit und lautet:

Seit der Französischen Revolution war eine Unruhe in die Menschen gekommen, daß sie entweder ihren Zustand zu ändern oder den Ort zu verändern gedachten.

Besonders Hochschullehrer waren leicht zu verlocken.

Da eben dergleichen Anstalten neu errichtet und vorzüglich begünstigt wurden, fehlte es nicht an Reiz und Einladung dorthin, wo man ein besseres Einkommen, höheren Rang, mehr Einfluß versprechen konnte.

Goethe, Annalen 1803

Man erkennt, so neu sind die heutigen Entwicklungen gar nicht.

Das kleine und hochverschuldete Herzogtum Weimar war in den 90er Jahren mit eindrucksvollem Erfolg bemüht, seine Landesuniversität in Jena zu einem Zentrum von Wissenschaft, Kultur und Forschung auszubauen. Goethe als hauptsächlich treibende Kraft wirkte dabei keineswegs in der Funktion eines Wissenschafts- oder Kultusministers, solche Titel hat er nie getragen, sondern viel eher als herzoglicher Wirtschaftsminister. Es war Standortpolitik im ganz modernen Sinn.

Die Freie Hansestadt Bremen geht mit ihrer Neugründung genau entsprechend vor.

Jena war ein Dutzend Jahre lang ein Glanzlicht der philosophischen, juristischen und medizinischen Forschung und Lehre in Deutschland. Dann waren die Vertreter des Fachs berühmt genug, um „dem Reiz und der Einladung“ anderer Hochschulen zu erliegen. Das Herzogtum Weimar mußte sie ziehen lassen; es konnte Jahresgehälter von 250, höchstens 500 Talern zahlen und mit den Angeboten von draußen nicht mithalten.

An diesem Punkt wollen wir den historischen Vergleich verlassen.

Vom zweckfreien Lehren und Forschen mag heute ohnehin niemand mehr reden. Stattdessen buhlt man um einen vielfach zu kurz greifenden Wissens- und Karrierepragmatismus, allenfalls dekoriert mit einer sogenannten Sozialkompetenz ohne inhaltliche Tiefenschärfe. Innerhalb des Hochschulbetriebs und auch nach außen werden Selbstverständlichkeiten als neue Münze ausgegeben oder mit begrifflichen Versatzstücken hantiert, die für sich gar nichts besagen:

- „Wissenstransfer“ ja was ist Wissenschaft denn sonst?
„Lebenslanges Lernen“ gab es je etwas anderes für Leute, die gut sein wollten oder mußten?
- „Globalisierung“ warum und wozu?
„Nachhaltigkeit“ worin?
„Zukunftsfähigkeit“ wofür?

Die Reihe ließe sich fortsetzen.

Das Bremer Konzept trägt anderes Gepräge; es ist in gleicher Weise durch Modernität und Rückbesinnung gekennzeichnet.

Sie, lieber Herr Schaumann, haben einmal gesprächsweise angemerkt - ich habe es mit Freude gehört und genau behalten -, Sie wären nicht zur IUB gegangen, wenn dort nicht auch Elemente der klassischen Volluniversität verwirklicht würden.

Das Bremer Modell unterscheidet sich in diesem Punkt gravierend von den Schöpfungen jener Wissenschaftspolitiker und –manager, die (so Karlheinz Stierle) den Hochschulen „eine neue stromlinienförmige Ubiquität und ortlose Internationalität einbleuen wollen“. Die eben zitierten mainstream-Begriffe sind im Grunde ja Ausdruck einer solchen Ortlosigkeit. Man muß ihnen mit allem Ernst entgegenhalten: „Die Universität ist ein symbolisches Kapital an sicheren Sachwerten“ (auch dieser Satz von Stierle). Und mit vollem Recht hat Bürgermeister Scherf betont, daß ein bedeutsamer Aspekt im IUB-Programm eben im Kontrast zu jener Ortlosigkeit und Beliebigkeit dieser ist:

„Die IUB versucht, die persönliche Identifikation mit dem Ausbildungsplatz in unser Land zurückzuholen.“

Sie merken, wie wir uns hier auf leisen Umwegen dem Elite-Vorhalt nähern. Ihm ist - mit dem Wort von Henning Scherf - ganz kurz zu begegnen:

„Elite ist überall - auch da, wo man dagegen opponiert.“

Das vorbehaltlose Fördern von Eliten - anderswo gang und gäbe - ist doch erst die wahre Chancengleichheit.

Die IUB steht noch ganz am Anfang; und doch hat sie allein durch ihren mutigen Neuansatz Profil und Standort unter den deutschen Hochschulen entwickelt, indem sie langgepflegte Vorurteile und Scheindualismen ad absurdum geführt hat:

In der IUB treffen und ergänzen sich öffentlich und privatwirtschaftlich getragene Forschung und Lehre, Eliteförderung und richtig verstandene Chancengleichheit, nationale Identität und internationaler Dialog als fundierte Wissens- und Forschensglobalisierung.

Diese neuen Strukturen, die sich zugleich und ständig Rechenschaft geben über ihr Woher, Wohin und Wozu, wachsen aus der innovativen Verarbeitung von Wissen. Die von der Commerzbank-Stiftung eingerichtete Professur

„Information Management“

bildet damit sozusagen ein Kern- und Herzstück des IUB-Konzepts.

Die IUB hat einen weiten Weg vor sich; er wird sicherlich manchmal schwierig, steil und dornenreich sein. Dann möge sie sich immer jenes unverlierbaren „symbolischen Kapitals an sicheren Sachwerten“ bewußt bleiben, das unverändert die jungen Menschen auf die Aufgaben von heute und morgen vorbereitet.

In diesem Gedanken wünschen wir der IUB und allen, die in ihr ihre berufliche Heimat haben, ganz besonders natürlich Ihnen, lieber Herr Wilhelm, Freude an ihrer Aufgabe, Erfolg und nicht zuletzt auch persönliches Glück.

 


Author: News & Events. Last updated on 23.06.2005. © 2005 International University Bremen, Campus Ring 1, 28759 Bremen. All rights reserved. No unauthorized reproduction. http://www.iu-bremen.de. For all general inquiries, please call IUB at +49 421 200-4100 or mail to iub@iu-bremen.de.