JACOBS UNIVERSITY BREMEN

Spintronik: Physikerteam gelingt Nachweis eines
nano-mechanischen Torsionseffektes durch Drehimpulsänderung von Elektronen

   

Wissenschaftlern um den Quantenmechaniker Pritiraj Mohanty von der Boston University gelang jetzt erstmals die nanomechanische Messung einer winzigen Torsion eines Drahtes im Nanomaßstab, die durch die Umkehrung des Drehimpulses von Spin-polarisierten Elektronen – einen sogenannten Spin-Flip – verursacht wurde. Die Messung bestätigt eine Vorhersage, die vor mehr als zehn Jahren von den theoretischen Physikern Stefan Kettemann, Jacobs University Bremen, und Peter Fulde, Max Planck-Insititut für Komplexe Systeme, in den Annalen der Physik publiziert wurde. Der Effekt, von dem sich Experten unter anderem neue Perspektiven in der Spintronik – der Nutzung des Elektronenspins in elektronischen Schaltungen – in Verbindung mit Nanomechanik versprechen, wurde jetzt in einem gemeinsamen Artikel in der aktuellen Ausgabe von Nature Nanotechnology veröffentlicht (doi:10.1038/nnano.2008.311).

[ Nov 11, 2008]  Die Spintronik, ein neues noch in der Entwicklung befindliches Forschungsgebiet in der Nanoelektronik, nutzt das magnetische Moment von Elektronen zur Informationsdarstellung und -verarbeitung und nicht nur deren Ladung wie die herkömmliche Halbleiterelektonik. Das magnetische Moment steht in enger Beziehung mit einer Art Eigenrotation der Elektronen, dem quantenmechanischen Spin. Dieser Spin kann nur zwei diskrete Zustände annehmen: er kann „auf“ oder „ab“ zeigen. In einem magnetischen Metall zeigen alle Spins in die gleiche Richtung, sie sind polarisiert. Fließt Strom (in Form von Elektronen) von einem unpolarisierten Metall in einen spinpolarisierten Magneten, müssen die Elektronen, deren Spin in die falsche Richtung zeigt, ihren Spin umkehren, was als „Spin-Flip“ bezeichnet wird. Aufgrund des physikalischen Gesetzes der Erhaltung des Drehimpulses überträgt sich diese Umkehrung des elektronischen Drehimpulses als mechanische Torsionsenergie auf das Material. Wenn sehr viele Elektronen gleichzeitig ihren Spin umkehren, wird die winzige Drehimpulsänderung verstärkt und als mechanische Verdrillung von sehr dünnen Drähten im Nanomaßstab messbar.

In der experimentellen Messapparatur, die in enger Zusammenarbeit mit den beiden Theoretikern entworfen und im Tieftemperatur-Nanotechnologie-Labor der Boston University aufgebaut wurde, wurde ein Elektronenstrom von einem ferromagnetischen Kobaltdraht in einen nichtmagnetischen Golddraht geschickt. Am Kontaktpunkt der beiden Drähte von 50 Nanometer Durchmesser diente eine nanoelektromechanische Struktur, ein Resonator, bei dem zwei Flügel einander entgegen gerichtete Torsionsschwingungen ausführten, der Verstärkung des durch Elektronen-Spin-Flip erzeugten Torsionseffektes auf messbare Werte von 10-22 NewtonMeter.

„Als wir die Idee einer Spin-Flip-Torsionswaage hatten”, erinnert sich Stefan Kettemann, „hielten wir es für einen so winzigen Effekt, der wenig mehr als ein Gedankenexperiment von theoretischen Physikern bleiben würde. Die jetzt geglückte Messung zeigt jedoch, dass man über magnetische Spin-Manipulation von Elektronen sehr winzige mechanische Bewegungen erzeugen kann, die man sich beispielsweise als zukünftige Basis eines winzigen Schalters von wenigen Nanometern Größe für eine sehr schnelle und energieeffiziente Informationstechnologie vorstellen kann“, so Kettemann weiter über die Bedeutung des Bostoner Experimentes.

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Author: Dr. Kristin Beck. Last updated on 11.11.2008. © 2008 Jacobs University Bremen, Campus Ring 1, 28759 Bremen. All rights reserved. No unauthorized reproduction. http://www.jacobs-university.de. For all general inquiries, please call the university at +49 421 200-40 or mail to info@jacobs-university.de.