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Auf dem Weg zum maßgeschneiderten Medikament

Springer
Foto zeigt: Sebastian Springer, Professor of Biochemistry and Cell Biology


18. April 2017

Wenn sich unser Körper krankmeldet, springt unsere natürliche Immunabwehr an. Manchmal aber lähmt eine Krankheit dieses System und breitet sich aus. Gut also, wenn sich unsere Abwehr gezielt und individuell wieder ankurbeln ließe. Forscher der Bremer Jacobs University haben ein Verfahren entwickelt, das die notwendigen Voranalysen für persönliche Medikamente standardisiert und damit deren Herstellung unerwartet beschleunigen kann. Zwei Pharmaunternehmen wenden dies nun erstmals testweise an.

Erkrankt eine Zelle, startet ein ausgeklügelter Krankmeldevorgang: In der Zelle bindet sich ein für die jeweilige Krankheit charakteristischer Eiweißbaustein an ein Trägermolekül, ein sogenanntes MHCKlasse-I-Protein. Es nimmt das Eiweiß „huckepack“ und trägt es mit sich aus der Zelle heraus an deren Oberfläche. Dort erkennen die T-Zellen der Körperabwehr an der Eiweißfracht, dass die betreffende Zelle krankhaft verändert ist – und vernichten sie. Bei Krebstumoren oder auch Virusinfektionen greifen jedoch verschiedene Mechanismen, die dieses Schutzsystem lähmen. Manche Tumore etwa schütten bestimmte Hormone aus, die die T-Zellen von ihrer Aufgabe abbringen: Sie „vergessen“, kranke Zellen zu zerstören. Eine Idee, dies umzukehren, ist die sogenannte Immuntherapie: Sie will die persönliche Körperabwehr von Patienten medikamentös gezielt wieder ertüchtigen.

Für solch maßgeschneiderte Pharmakologie muss zunächst untersucht werden, wie die Abwehrzellen eines bestimmten Patienten auf die Zustandsinformation „Krebs“ oder „Virus“ genau reagieren: Der Ablauf der natürlichen Krankmeldung muss dafür künstlich im Reagenzglas nachzustellen sein. Eine Forschergruppe um den Biochemiker und Zellbiologen Sebastian Springer von der Jacobs University in Bremen hat hierfür ein Verfahren entwickelt.

Damit alles im Labor ebenso funktioniert, wie in unserem Körper – Melde-Eiweiß, Trägermolekül, Erkennen der Krankheit und Eindämmung –, „ist es wichtig zu wissen, wann und unter welchen Bedingungen sich welcher Baustein wo in oder auf der Zelle befindet und wie der Transport von drinnen nach draußen verläuft“, beschreibt Springer die Grundfragen seiner Forschung. So hat sein Team herausgefunden, dass das MHC-Klasse-I-Molekül einige unbeständige Vorformen durchläuft, bevor es eine stabile Form erreicht. Erst hier kann das Melde-Eiweiß andocken. Bei dieser stabilen Form besetzt ein anderer chemischer Baustein die Stelle, an die sonst ein Krankmelde-Eiweiß andockt.

Genau dieses MHC-Klasse-I-Molekül mit Platzhalter für jedes beliebige Melde-Eiweiß kann die Bremer Gruppe künstlich herstellen. Ihr Leiter Springer hält ein bisher weltweit einmaliges Patent dafür. Ein Sprung nach vorne für die Arzneiforschung, denn damit lässt sich die Immunreaktion einzelner Pateinten auf jede erdenkliche Krankheit studieren.

Aktuell etwa sind rund 10.000 MHC-Klasse-I-Trägermoleküle bekannt. Manche kommen nur selten vor. Aber einige sind bei bis zu 30 Prozent aller Menschen aktiv. Mit ihnen wird die Klinische Forschung beginnen. „In unserem Labor können wir keine revolutionäre Therapie erfinden. Aber wir können die Voraussetzung dafür schaffen, dass dies in den richtigen Händen gelingt“, so Springer. Zwei Pharmaunternehmen wenden sein Patent nun erstmals an. Eine Firma hat darüber hinaus zehn Mikrogramm der fertigen MHC-Klasse-I-Vorformen gekauft. Das sind weniger als eine menschliche Eizelle wiegt. Dennoch dauert es derzeit etwa sechs Wochen und kostet rund 15.000 Euro, diese geringe Menge herzustellen. Allerdings waren viele Methoden einst enorm zeitaufwendig und teuer, die in der heutigen Medizin Routine sind. Es bestehen also Chancen: Künstliches Insulin für Diabetiker beispielsweise ist heute Standard – morgen sind es persönliche Arzneien womöglich auch.
 

Weitere Informationen:
http://springergroup.user.jacobs-university.de

Fragen beantwortet:
Sebastian Springer | Professor für Biochemie und Zellbiologie
s.springer [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3243

Über die Jacobs University:
Die Jacobs University ist eine private, unabhängige, englischsprachige Universität in Bremen. Hier studieren junge Menschen aus der ganzen Welt in Vorbereitungs-, Bachelor-, Master- und PhDProgrammen. Internationalität und Transdisziplinarität sind die besonderen Kennzeichen der Jacobs University: Forschung und Lehre folgen nicht einem einzigen Lösungsweg, sie gehen Fragestellungen aus der Perspektive verschiedener Disziplinen an. Dieses Prinzip macht Jacobs Absolventen zu begehrten Nachwuchskräften, die erfolgreich internationale Karrierewege einschlagen.

Kontakt:
Thomas Joppig | Brand Management, Marketing & Communications
t.joppig [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-4504