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Harmonische Vielfalt: Wie die Dirigentin Rucsandra Popescu den Chor J-Cappella formte

Dirigentin Rucsandra Popescu


04. Mai 2017

An den ersten Auftritt erinnert sich Rucsandra Popescu noch gut: Der Chor war im Herbst 2008 noch klein, die Sänger unerfahren, die Lieder einfach. Und doch war da dieser Enthusiasmus, diese Emotionen, die berührten. Sie sind geblieben. Hinzu gekommen sind Professionalität, Ambitionen und der Wille, stimmliche Grenzen zu überschreiten. Aus J-Cappella, dem Chor der Jacobs University, hat die musialische Leiterin Rucsandra Popescu ein außergewöhnliches Ensemble geformt.

Als die gebürtige Rumänin, die aus einer Musikerfamilie stammt, den Chor übernahm, war sie selbst noch Studentin: An der Hochschule für Künste in Bremen war die damals 28-Jährige für einen Master in Komposition eingeschrieben. Gleich zu Beginn sprang die kleine Gruppe ins kalte Wasser. Sie sang gemeinsam mit dem Brahms Chor aus Bremen und mit der Philharmonie der Nationen unter Leitung von Justus Frantz und Joshard Daus die „Chorfantasie“ und die „Symphonie Nr.9“ („Freude schöner Götterfunken“) von Ludwig van Beethoven.

Dieses Erlebnis schweißte zusammen, doch um einen Chor aufzubauen, braucht es mehr. „Es braucht Regelmäßigkeit, Konstanz und Disziplin“, sagt Rucsandra Popescu. „Anders lassen sich keine harmonischen Klänge entwickeln.“ Aber wie erreicht man Kontinuität und klangliche Homogenität, wenn alljährlich Chormitglieder ausscheiden, weil ihr Studium beendet ist und neue hinzukommen?

„Durch harte Arbeit, viel Geduld und klare Strukturen“, meint sie lachend. Am Anfang sei es schwierig gewesen, junge Bässe und Tenöre zu finden. Doch mit der Zeit hat sich ein harter Kern an Stimmen herausgebildet, aus ehemaligen Studierenden und Mitarbeitern der Universität, zu denen immer wieder neue Sänger aus den neuen Studienjahrgängen hinzustoßen. Wer dabei sein will, muss bei ihr vorsingen. „Die Studierenden brauchen keine Noten lesen zu können, aber sie sollten in der Lage sein, ihre Stimme kontrollieren zu können. Ihre Motivation ist sehr hoch und vieles entsteht einfach durch Üben.“

Gemeinsam geprobt wird einmal in der Woche, darüber hinaus treffen sich die Vertreter der einzelnen Stimmlagen wöchentlich separat. Hinzu kommen Chorwochenenden und Auftritte wie die sehr gut besuchten Weihnachtskonzerte und das Frühjahrskonzert. Auch für Konzerte außerhalb des Campus wird J-Cappella gebucht.

Das Markenzeichen des Chors ist seine Internationalität. Ein gutes Dutzend Nationen sind derzeit im rund 35-köpfigen Ensemble versammelt. So kann es sein, dass die Sopranistin aus Korea stammt, der Tenor aus Tansania und die Alt-Stimme aus Bulgarien – jeder bringt seine ganz spezifischen kulturellen Erfahrungen mit ein. „Durch die Vielfalt hat J-Cappella eine unglaubliche Präsenz. Jeder will nicht nur ein bisschen singen, die Sänger sind ehrgeizig, sie wollen ihr Niveau verbessern und sind bereit, viel dafür zu investieren. Als Dirigentin ist das für mich ein großes Vergnügen.“ Die Diversität spiegelt sich auch in den verschiedenen Musikrichtungen und Sprachen wider. Gesungen wird mal auf Deutsch, Englisch oder auch Französisch und Latein, von klassischen Titeln bis hin zu modernen Popsongs oder Beiträgen aus den Heimatländern der Sängerinnen und Sänger.

Die Vielfalt und Klasse von J-Cappella erkannte auch die Jury des Internationalen Festivals für Advents- und Weihnachtsmusik in Prag an. 2012, bei ihrem ersten Wettbewerb, gewannen die Musiker gleich Silber. Ein Jahr später trat der Chor in Venedig auf, das Konzert hatte Rucsandra Popescu organisiert, die für drei Jahre in die Lagunenstadt gezogen war. J-Cappella in Bremen betreute sie dennoch weiter, trotz der Distanz: „Ryanair sei Dank!“ Zweimal im Monat flog sei ein, auch an so manchem Wochenende wurde geprobt.

J-Cappella ist beileibe nicht der einzige Chor, den die ausgebildete Konzertpianistin betreut. Als Lehrbeauftragte der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig dirigiert sie den dortigen Jazzchor, sie leitet den Oldenburger Jugendchor, das ensemble d’accord in Bremen sowie den Buchtstraßenchor, der vor allem für seine politischen Lieder bekannt ist. Und dann ist da noch das Komponieren, eine weitere Leidenschaft, die ihr den Komponistenspreis 2012 des Landesmusikrates einbrachte. Im selben Jahr schloss sie ihr Konzertexamen in Komposition als eine der letzten Studentinnen von Prof. Younghi Pagh Paan ab. Wie sie das alles auf die Reihe bekommt? Ganz einfach: „Als Künstlerin bin ich vielfältig und sehr aktiv. Das ist meine Arbeit!“

Im Herbst feiert J-Cappella sein zehnjähriges Bestehen. Eine musikalische Zeitreise, die Geschichte des Chors verpackt in einem Musical, will Rucsandra Popescu zur Aufführung bringen. Viele ehemalige Chormitglieder haben ihr Kommen bereits zugesagt. Sie werden aus der ganzen Welt anreisen, aus den USA, Asien und vielen Ländern Europas. „Die Familie wird wieder zusammenkommen“, sagt Rucsandra Popescu. „Ich freue mich unheimlich.“

 

Ein Frühlingskonzert mit J-Cappella findet am Sonntag, 7. Mai, ab 18 Uhr im Interfaith House auf dem Campus der Jacobs University statt. Eintrittskarten gibt es an der Abendkasse. Sie kosten 9 Euro, Schüler und Studierende zahlen 5 Euro.

Dirigentin Rucsandra Popescu