05. Januar 2018
Für ihn beginnt ein guter Tag mit einem Problem – und endet mit einem Problem: Guiseppe Thadeu Freitas de Abreu erwacht am liebsten mit einer Frage im Kopf. Gleich nach dem Aufstehen, noch vor Brötchen und Kaffee, wird alles notiert. Im seinem Büro gewinnt die Frage an der Tafel dann an Form(eln). Gelöst – im besten Fall. Bald kommen die ersten Studierenden zu ihm. Und mit Glück schließt sich abends der Kreis: „Oft kommt ein weiter fortgeschrittener Student und wir tragen einen kleinen Kampf am Whiteboard aus.“ So hat er schon sein Problem für den kommenden Tag.
Der gebürtige Brasilianer ist Professor für Elektroingenieurwesen und Computerwissenschaft an der Jacobs University. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Informationstheorie: auf mathematischen Formeln, die ein technisches Problem möglichst genau beschreiben, und auf deren Einsatz in der Technik. Wie der Zirkuskünstler seine Bälle wirft und fängt, notiert Abreu Gleichungen an die Tafel, verschiebt sie hin und her, bis hinter dem Gleichheitszeichen ein Code steht – eine Formel, die einen bestimmten technischen Zusammenhang beschreibt. „Ich finde ein Problem im täglichen technischen Leben und frage mich: Wie lässt sich dies technisch schlau lösen? Dann habe ich eine Idee. Und jede Idee kann in einen Code übersetzt werden.“
Seine Codes bilden die Grundlage, um smarte, meist digitale Dinge weiterzuentwickeln. Eines seiner Schwerpunkte ist die drahtlose Signalübermittlung und -wandlung. Ob in der Autoindustrie, dem Transportwesen, der Besucherlenkung oder bei einem demenzkranken Patienten, der orientierungslos losspaziert – überall geht es um die Frage: Wo ist was zu welcher Zeit und wie lässt sich dies ohne feste Kabelverbindung orten?
Ein Beispiel für hochmoderne drahtlose Ortung ist das neue Tracking-System, entwickelt von der Firma ZIGPOS in Dresden, deren Mitbegründer Abreu ist und die er bis heute fachlich berät. Dabei kann ein drahtloses Sensornetzwerk die Position von Trägern spezieller Chipkarten bestimmen und deren Weg verfolgen – und zwar auf fünf Zentimeter genau und damit viel genauer als GPS das könnte. Auf der Hannover Messe 2017 wurde das System erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Im Rahmen des EU-weiten Projektes HIGHTS (High Precision Positioning for Cooperative) arbeiten Abreu und sein Team daran Autos, Motorroller, Fahrräder und eventuell sogar Fußgänger in eine automatische „Unterhaltung“ über ihre jeweilige Position zu bringen – und das ebenfalls auf wenige Zentimeter genau.
Daten sind für Abreu das neue Gold, sie werden aus seiner Sicht nur noch wenig genutzt. Ginge es nach ihm würden zum Beispiel die Regensensoren, mit denen mittlerweile viele Autos ausgestattet sind, ihre Daten automatisch in ein zentrales System speisen. „Das ist wertvolles Wissen über das örtliche Wetter, etwa für gezielte Unwetterwarnungen.“