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Robust und sensitiv: Wie Zellen die Balance wahren

 

14. September 2017

Netzwerke in biologischen Zellen sind Stress ausgesetzt. Sie können kollabieren, ganz ähnlich wie überbeanspruchte Verkehrs- oder Datensysteme. Forscher der Jacobs University und der Universität Bremen haben in einer neuen Studie die Robustheit der verflochtenen Netzwerke aus der Genregulation und dem Stoffwechsel untersucht. Dabei haben sie erstmals die Theorie verflochtener Netzwerke auf biologische Zellen übertragen.

Die wechselseitigen Abhängigkeiten verschiedener Infrastruktursysteme sind eine potentielle Gefahr in unserer technologisierten Welt. Bahnfahrer kennen das: Eine Störung im Nahverkehrsnetz kann Auswirkungen auf das Netz der Fernzüge haben. Eine Verspätung droht. Ein Defekt in einem Netzwerk beeinträchtigt die direkt abhängigen Knoten in dem anderen Netzwerk. Unter bestimmten Bedingungen kann es zu systemweiten Kaskaden von Störungen und zum Zusammenbrechen des gesamten Systems kommen. In der statistischen Physik bezeichnet man einen solchen Punkt als Perkolationsschwelle.

Verflochtene Netzwerke gibt es auch in biologischen Zellen. Ihre Funktionsweise zu ergründen, ist von hohem medizinischen Interesse. Dennoch werden Gene und Stoffwechsel, die beiden großen Netzwerke der biologischen Zelle, trotz ihrer starken Wechselbeziehungen und gegenseitigen Abhängigkeiten größtenteils immer noch als getrennte Systeme untersucht.

Was brauchen Zellen um robust zu bleiben, wenn das genetische Netzwerk als regulatorisches System und die Versorgungsnetze des Stoffwechsels in Abhängigkeit stehen? In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Kooperation zwischen der Jacobs University und der Universität Bremen haben Forscher jetzt Erkenntnisse aus beiden Netzwerken zusammengeführt. Sie analysierten die Robustheit dieser verflochtenen Netze am Beispiel eines biologischen Modellorganismus, des Darmbakteriums Escherichia coli. Die Arbeit wurde jetzt im renommierten Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.

„Unsere Untersuchung ist die erste quantitative Anwendung der Theorie verflochtener Netze auf die biologische Zelle“, sagt Marc-Thorsten Hütt, Professor für Computational Systems Biology an der Jacobs University. Zusammen mit Dr. Anne Grimbs von der Jacobs University und dem Team von Professor Stefan Bornholdt von der Universität Bremen hat Professor Hütt die Existenz von unterschiedlichen Perkolationsschwellen für Störungen nachgewiesen, die in verschiedenen Netzwerkregionen lokalisiert sind. Auf diese Weise vermag das System die gegensätzlichen Forderungen zu erfüllen, sowohl schnell auf Änderungen der Umweltbedingungen zu reagieren als auch robust gegen systemische Störungen zu sein.

Das Fundament für die Untersuchung ist ein akribisches Zusammenführen mehrerer großer Datenbanken zur Genregulation und zu Reaktionen des Stoffwechsels von Escherichia coli. Dr. Anne Grimbs war für diesen Teil des Projektes verantwortlich. Gemeinsam mit David Klosik aus der Arbeitsgruppe von Professor Bornholdt, der die statistischen Analysen durchgeführt hat, hat Grimbs dann die Anpassung der Perkolationsanalyse an das biologische System formuliert.

„Seit vielen Jahren analysiert meine Arbeitsgruppe neben biologischen Netzen auch Netze aus der Produktionslogistik. In der Logistik ist die Balance zwischen Robustheit und Effizienz natürlich ein riesiges Thema. Die interdisziplinäre Sicht hat uns an dieser Stelle geholfen, das biologische System besser zu verstehen“, sagt Professor Hütt. Daher hoffen die Forscher, diese Balance von Sensitivität und Robustheit auch in vielen anderen Systemen zu finden, in denen Regulation (wie im genetischen Netzwerk) und Versorgung oder Produktion (wie im Netzwerk des Stoffwechsels) in Abhängigkeit stehen.

 
Weitere Informationen:
https://www.nature.com/articles/s41467-017-00587-4
http://sysbio.jacobs-university.de/website/
www.jacobs-university.de

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Marc-Thorsten Hütt | Professor of Computational Systems Biology
m.huett [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3238
 
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Kontakt:
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